Du bist im Urlaub in einem Land, dessen Sprache du überhaupt nicht sprichst. Deine SIM-Karte funktioniert in dem Land auch nicht.
Du sitzt in einem Nachtbus auf dem Fensterplatz. Dein Sitznachbar schläft. Fast alle anderen Fahrgäste schlafen auch. Zwischen dem Fahrgastraum und dem Fahrer ist eine geschlossene Tür.
Der Bus fährt auf einer Autobahn-ähnlichen Straße. Wo genau der Bus gerade entlangfährt, weißt du nicht.

Du schaust aus dem Fenster.

Du siehst kurz einen Menschen, der neben der Gegenfahrbahn im Gebüsch liegt, auf dem Rücken. Ein Fahrrad liegt halb auf ihm drauf. Ob er verletzt oder bei Bewusstsein ist, kannst du nicht sehen, denn nach einem Sekundenbruchteil ist er schon wieder außer Sichtweite.

Was würdest du in dieser Situation tun?

Ich stelle die Frage aus gegebenem Anlass. Ich war in der Situation. Ich habe nichts getan und nichts gesagt. Und fühle mich immer noch schlecht damit.

  • AAA@feddit.org
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    1 day ago

    Trennung zwischen Fahrer und Passagieren, spanisch, gar kein bis wenig Englisch,… ist das in Mexiko passiert?

    Wenn ja: selbst wenn du dem Fahrer zu verstehen gegeben hättest was du gesehen hast, der hätte ganz sicher nicht angehalten. Eher hätte er noch einen Zahn zugelegt. Es gibt leider Ecken in dieser Welt wo das richtig und wichtig ist, und es war möglicherweise besser, dass du nichts getan hast.

    • superkret@feddit.orgOP
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      1 day ago

      Chile. Da wäre das anders gewesen. Das Land gilt auch als das “Deutschland Südamerikas” und besonders der Süden ist sicherer als die meisten Staaten in Europa.

      • AAA@feddit.org
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        23 hours ago

        OK, anderes Pflaster.

        Du solltest dich trotzdem nicht fertig machen. Wir reagieren in plötzlich auftretenden Stresssituationen oft nicht so wie wir es gern würden. Das belastet dich jetzt retrospekt, ist aber menschlich. Verzeih dir selbst und das nächste Mal reagierst du vielleicht anders.

  • Phineaz@feddit.org
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    2 days ago

    Das tut mir sehr Leid. Ich glaube, dass die meisten genau so wie du gehandelt hätten. Klar, im Nachhinein kann man sich jetzt viel erzählen, dass du es zumindest hättest probieren sollen oder dergliechen, aber du warst auch einem enormen Druck ausgesetzt, mit dazu ein echtes Risiko, dass du alle aufweckst und den Busfahrer dazu bekommst dir zuzu"hören" nur um festzustellen, dass er/sie abwinkt. Dann stündest du jetzt da mit der Frage, ob du mehr hättest tun sollen.

    Pass bitte auf dich auf, so etwas kann einen zerfressen. Rede bitte mit Menschen über die Thematik, denn im Selbstgespräch wirst du wenig Ruhe finden.

  • Bonifratz@lemm.ee
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    2 days ago

    So, wie Du die Situation geschildert hast, hättest Du wahrscheinlich wirklich nichts Sinnvolles tun können. Aber das Problem setzt für mich an einem früheren Punkt an: Dass Du Dich mit gar niemandem in irgendeiner Sprache verständigen kannst, kann ich ja noch nachvollziehen, so eine Reise hatte ich auch schon mal. Aber ich hätte mir an Deiner Stelle auf jeden Fall eine lokale SIM-Karte mit Internet besorgt. Dann hättest Du eure genaue Position sehen können, außerdem hättest Du z. B. mit Google-Übersetzung einem Mitreisenden die Situation verständlich machen können. Es ist ja auch in Deinem Interesse, falls Du selbst auf so einer Reise in Schwierigkeiten gerätst, dass Du auf irgendeine Weise Hilfe holen kannst.

    • superkret@feddit.orgOP
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      2 days ago

      Ich hätte schon etwas tun können, denn ganz unvorbereitet war ich nicht.
      Ich hatte die Sprache (Spanisch) vorher im Google Übersetzer heruntergeladen, ebenso die OpenStreetmap für das Land.

      • Bonifratz@lemm.ee
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        1 day ago

        Hmm, ok. Dann würde ich sagen, Du hättest idealerweise jemanden informieren sollen (so wie ich es verstehe, war vom Personal niemand erreichbar, daher wohl am besten den Sitznachbarn). Eine kurze Nachricht im Übersetzer hätte gereicht, um das Problem klar zu machen. (“Ich habe eine verletzte Person am Straßenrand gesehen. Ich denke, wir sollten anhalten und helfen.”) Dann wäre es in der Hand der Einheimischen gewesen und Du hättest die Verantwortung für die Sache abgegeben.

        That said: Ich kann gut nachvollziehen, dass Du in dem Moment nichts getan hast. Es gab viele Dinge, die Du überlegen musstest, und dann war der Bus ja schon ein ganzes Stück weiter. Ich finde es cool, dass Du das hier erzählst. So sind alle, die das gelesen haben, in einer ähnlichen Situation gedanklich ein bisschen besser vorbereitet und können vielleicht schneller reagieren.

        Was die Person am Straßenrand betrifft, kann man ja hoffen, dass sie bald von jemand Anderem entdeckt wurde. Wenn Du sie sogar aus der anderen Fahrtrichtung sehen konntest, klingt das für mich nicht unwahrscheinlich.

      • DrunkenPirate@feddit.org
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        2 days ago

        Bissl OT: Ich lege die stark ans Herz nicht mehr mit Nachtbussen zu fahren. Klar, sind die günstiger. Die günstige Preis kommt aber mit einer höheren Unfallgefahr. Oft sind die Fahrer übermüdet und auf Aufputschmittel. Die 10-20€ zu Sparen sind dein Leben nicht wert.

        • superkret@feddit.orgOP
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          2 days ago

          Das war in Chile. Da gibt es keine wirklichen Alternativen zum Nachtbus. Allerdings gibt es da auch eine Anzeige im Bus, auf der alle Fahrgäste sehen, wie lange der Fahrer schon am Steuer sitzt, mit einer Web-Adresse der Verkehrsbehörde, über die man direkt Verstöße melden kann.

  • tobogganablaze
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    2 days ago

    Spricht den keiner Englisch?

    Fahrgäste kann man wecken, irgendeiner wird ja wohl ein Handy haben. Dann Standort bestimmen (GPS aufm Handy oder im Notfall nach Schildern/Markierungen schauen) und zumindest die Polizei grob in die Richtung schicken.

    • superkret@feddit.orgOP
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      2 days ago

      ca. 5%, also statistisch hätten 1-2 Personen im Bus Englisch sprechen können. Der Busfahrer konnte es nicht.

  • rbn@sopuli.xyz
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    2 days ago

    Wenn ich mir sicher gewesen wäre, dass da jemand unter einem Fahrrad lag, hätte ich es vermutlich mit Hand und Fuß zu erklären versucht.

    “Stop”-Handgeste “Wildes aus dem Fenster nach hinten zeigen”-Geste “Pedale mit den Händen drehen”-Geste “Messer an Kehle” oder “Zunge raus und Kopf schlaff zur Seite hängen”-Geste “Telefon”-Geste “Wildes aus dem Fenster nach hinten zeigen”-Geste

    Ggf. könnte man auch die Notrufnummer 911 / 112 o.ä. mit den Fingern oder auf dem Smartphone zeigen.

    • NeoNachtwaechter@lemmy.world
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      1 day ago

      Geste “Messer an Kehle”

      Wildes Herumfuchteln und eine solche Geste werden mit großer Wahrscheinlichkeit zu einem ganz anderen Ergebnis führen.

      Zum Beispiel, dass alle sich totlachen über diesen Clown.

      Oder dass sie dich als aggressiv verstehen und dann irgendwie stillegen.

      • rbn@sopuli.xyz
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        1 day ago

        Also ich weiß ja nicht. Bislang konnte ich mich im Ausland immer halbwegs verständlich machen, wenn es darauf ankam, selbst wenn ich die Sprache gar nicht gesprochen habe. Man kann ja auch noch ein paar halbwegs internationale Worte in die Vorführung einstreuen. Ich weiß nicht, um welches Land es hier geht aber bspw. SOS, Bike, Help, Crash, Doctor oder ähnliches dürften auch in Südamerika, Asien oder Afrika viele Menschen verstehen.

        Dass man verhaftet wird oder “stillgelegt” wird, wenn man sich zuvor ganz normal verhalten hat, kann ich mir nicht so ganz vorstellen.

        • NeoNachtwaechter@lemmy.world
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          1 day ago

          Je wilder (oder “dringender”) du dich aufführst, desto mehr werden die Menschen sich mit dir und mit deinem Verhalten beschäftigen, und entsprechend weniger mit den Sachen, die mitzuteilen versuchst.

  • Ooops@feddit.org
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    2 days ago

    Ich bin wohl zu sehr Kontrollfreak um in einer solche Situation nicht in der Lage zu sein mich zumindest rudimentär zu verständigen (offline Übersetzer, im Notfall Wörterbuch und Zettel und Stift). Wie überlebt man unter den Umständen überhaupt?

    In so fern tut es mir Leid, dass dir so etwas passiert ist und auch, dass ich es so hart ausdrücken zu müssen: Aber die Situation klingt eher nach dem typischen “Ich tue nichts und versuche das dann zu rechtfertigen”. Ist nicht unüblich. Tatsächlich handeln sehr viele Menschen so. Die selben Leute würden dir unter normalen Umständen (also daheim ohne Verständigungsprobleme) auch erzählen, dass sicher gar nichts schlimmes passiert ist. Dass sicher bald jemand vorbeikommt, der viel besser helfen kann, als sie es könnten. Kurzum: Die selbe Kategorie, die z.B. beim Unfall daneben steht und keine Erste Hilfe leistet, weil sie ja nicht sicher ist, was sie tun soll, und sicher irgendjemand anders das viel besser könnte. Und dieser Schwerpunkt auf Aufzählung all der Gründe, warum du nichts tun konntest, bevor du überhaupt zur eigentlichen Situation kommst, ist schon bezeichnend und passt in Schema. Genauso wie einige der Antworten hier, dass du ja wirklich nichts tun konntest. Wärst du wirklich dieser Meinung, würdest du die Frage auch nicht stellen.

  • NeoNachtwaechter@lemmy.world
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    2 days ago

    Das klingt nicht so, als ob du irgendwas Sinnvolles tun könntest.

    Deine Arme sind zu kurz, um ohne Aussteigen etwas zu tun.

    Du kannst aus dem fahrenden Bus nicht aussteigen.

    Du kannst den Bus nicht anhalten (und wenn du es ohne Sprachkenntnisse versuchst, wird man es mißverstehen und dich für irgendwas bestrafen).

    Du kannst auch niemandem, der “zuständig” ist und helfen könnte, etwas sagen.

    Rein theoretisch könntest du irgendeine ganz unbeteiligte Person anrufen, die deutsch spricht. Aber wie das in dieser Variante zu einer sinnvollen Aktion führt, will mir auch nicht einfallen.

  • hendrik@palaver.p3x.de
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    Deutsch
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    2 days ago

    Schwierig. Die einzige andere Option, die ich sehe ist, einen Mitreisenden wecken, versuchen denen das zu verklickern und hoffen, dass sie dann das Richtige tun (können).

    Es ist alles sehr unklar. Ob die Person Hilfe brauchte, oder dort in einer lauen Nacht ihren Rausch ausgeschlafen hat. Vielleicht war es auch schon zu spät für Hilfe. Und vielleicht haben dir deine Sinne im Dunklen und Halbschlaf einen Streich gespielt.

    Und es ist fraglich was passiert wäre, wenn du anders gehandelt hättest.

    Ich kann nur sagen, solche Gedanken wird man nicht mehr so einfach los. Ich versuche dann mir so wenig Vorwürfe zu machen wie möglich, wenn sie sowieso nichts mehr ändern können. Und versuche nach vorne zu blicken. Insbesondere heißt das mir zurecht zu legen wie ich in Zukunft in einer ähnlichen Situation handeln würde. Oder in einer Situation wo hier gelerntes greift. Ich war nämlich auch schon in Situationen in denen ich mir überlegt habe ob ich handeln soll, es dann unterlassen habe und mir Vorwürfe gemacht habe. Oder mich zu viel auf andere Personen verlassen habe. Seitdem habe ich mir vorgenommen das anders zu machen und das auch schon umgesetzt. Das zweite mal in einer Situation zu sein ist aber ohnehin einfacher.

  • MarcomachtKuchen@feddit.org
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    2 days ago

    Möchte nur mal kurz sagen, dass das wirklich keine einfache Situation war und man vielleicht rückblickend etwas anders machen hätte können, aber deine Überforderung ist durchaus verständlich. Gut dass du drüber nachdenkst und auch andere zum Nachdenken bringst, aber bitte lass dir keine Schuld aufladen.

  • trollercoaster@sh.itjust.works
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    2 days ago

    Eigentlich haben @rbn@sopuli.xyz und @tobogganablaze@lemmus.org schon Alles gesagt, was ich auch sagen wollte, bräuchte also eigentlich meinen Senf nicht auch noch dazugeben, aber ich finde es erschreckend, wie viele hier gar nichts tun als eine gute und akzeptable Reaktion sehen.

    Wirst wohl damit leben müssen, was Du (nicht) getan hast. Darüber reden soll helfen.

    • DrunkenPirate@feddit.org
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      2 days ago

      Dann bist du vermutlich noch nicht in Ländern gewesen mit schlechter Infrastruktur. In den meisten Ländern der Welt ist (a) die Polizei nicht dein Freund und musst du (b) Krankenhaus selbst und oft bar bezahlen.

      Das ist in Südamerika nicht so, dass du die Notrufstelle anrufst und dann fährt direkt ein Krankenwagen los.

      Es gibt Situationen, da sind einem die Hände gebunden.

      Und es bringt überhaupt nichts OP jetzt noch mehr schlechtes Gewissen einzureden. Er fühlt sich ja jetzt schon nicht gut damit.