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Cake day: June 24th, 2023

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  • Wie gesagt: Ich habe mich nie dezidiert mit Anarchistischer Theorie auseinandergesetzt.

    Ich halte sehr viel von autonomen und selbstverwalteten Initiativen — habe auch schon selbst bei einigen mitgemacht, bspw. Premium Cola oder Utopiastadt hier in Wuppertal. Auch bei uns in der Firma versuchen wir die Hierarchien so flach und Projektteams so klein wie möglich zu halten. Da passiert sehr viel dynamisch und spontan, das hat natürlich mit (Selbst-)Vertrauen zu tun.

    Grundsätzlich glaube ich, dass deine Problem-Schilderungen etwas überzogen sind. An vielen Stellen würde natürlich das Subsidiaritätsprinzip greifen und — auch wenn Repräsentant*innen nur imperativ gewählt sind — sind sie ja dennoch für bestimmte Aufgaben gewählt. Darüberhinaus treffen schlecht informierte Leute auch heutzutage schon schlechte Entscheidungen. Das ist eher ein Problem politischer Bildung und medialer Aufklärung. Viele Menschen wählen auch heute schon entgegen ihren eigenen Interessen. Da bräuchte es einfach mehr Zeit für gesellschaftliches Engagement — deshalb halte ich u.a. die generelle Einführung der 4Tage/32Std. Woche bei vollem Lohnausgleich für sehr wichtig.

    Was Dir anscheinend nicht bewusst ist: Lokalpolitik ist auch heute kein Job, sondern ein Hobby, das mensch sich erstmal leisten können muss. Da sitzen eben auch keine Profis.

    Ich bin aber bei Dir: Ganz ohne Regeln und Verwaltung können Probleme größeren Ausmaßes nicht gelöst werden. Weshalb ich glaube, dass Anarchie immer erstmal nur annäherungsweise funktionieren kann.

    Beim Föderalismus kommt es ja auch auf die Implementierung an: top-down oder bottom-up. Exekutiv-, Parlaments- oder Direktwahl-Föderalismus. Checks and Balances. Da gibt es zig Möglichkeiten den einzelnen Gliedern mehr oder weniger Autonomie/Unabhängigkeit zu geben. Auf Reddit habe ich lange das „europäische Föderalisten“ Sub aktiv moderiert, da gab es zu der Zeit auch viele gute, tiefe Diskussionen zu einer tatsächlichen EU-Föderation.

    Ich würde mir in Deutschland beispielsweise mehr Unabhängigkeit (und finanzielle Mittel) für die Kommunen wünschen.

    Das Hauptproblem in unserem aktuellen System ist für mich weniger die Demokratie, sondern eher der ausartende Kapitalismus und in der Folge Korruption und Lobbyismus.

    Hier stimmen wir zu 100% überein. Der Kapitalismus hat meiner Meinung nach seinen Zenit lange überschritten und es zeigt sich an allen Ecken und Enden, dass Privatisierung und unternehmerische Prozessoptimierung bei sozialen und gesellschaftlichen Problemen fehl am Platz sind. Wenn jahrzehntelange gespart wird, dann muss sich keiner wundern, wenn die Infrastruktur kaputt ist und Fachkräfte fehlen.


  • Ich bin selbst kein belesener Anarchist, aber ich würde dennoch sagen, dass die Anarchie eine sehr strikte Form der (Basis-)Demokratie ist. Der Fokus liegt eben auf der Herrschaftsfreiheit.

    Gruppen organisieren sich Basisdemokratisch und probieren wo immer möglich Konsensentscheidungen auszuhandeln.

    Müssen Entscheidungen auf höheren Ebenen getroffen werden, wird es föderalistisch organisiert. Gruppen senden Delegierte, die aber (anders als in „republikanischen“ Repräsentant*innen-Systemen) rechenschaftspflichtig und imperativ-gebunden sind. Sie dürfen also nur im Sinne ihrer Gruppe und des aktuellen Mandates abstimmen, nicht darüberhinaus und können jederzeit abgewählt werden. Es gibt keine Parteien, keine Fraktionen, keine Regierung, keine Opposition. Natürlich können adhoc Koalitionen gebildet werden.

    Ergänzend: Habe gerade in deinen verlinkten Beitrag gelesen. Der Text vertritt augenscheinlich eine sehr reine (utopische?) Lehre. Das von mir beschriebene lässt sich wahrscheinlich eher in einem anarcho-syndikalistischen Umfeld verorten.